In Barcelona wurde der Superblock—ein von großen Straßen begrenztes Stadtgebiet, das sich aus mehreren kleineren Stadtblöcken zusammensetzt—in den letzten Jahren neu erfunden. Er verspricht damit Lösungen für durch motorisierten Verkehr höchst emissionsbelastete Städte. Durch eine Verminderung der Verkehrsdichte soll aber auch der öffentliche Raum aufgewertet und existierende Nutzungen verstärkt oder neue möglich gemacht werden. In Barcelona sind mittlerweile sechs solche Superblocks realisiert worden. Befürchtungen, dass aufgrund der Verkehrsberuhigung der Einzelhandel leiden könnte, haben sich nicht bewahrheitet. Stattdessen hat sich die Anzahl der Wege, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unternommen werden, erhöht. Die Luftqualität hat sich verbessert. Mittlerweile wird das Modell auch in anderen Städten getestet. Überall zeigt sich das Potenzial der räumlichen Organisation aus Sicht fußläufiger statt autofahrender Menschen.
Wie Wohnquartiere autofrei werden
Kunst und Aktivismus
Gefängnisreformen, faire Länderhaushalte, Gerechtigkeit für Eingewanderte, die adäquate Bestimmung von Steuerlasten, die Aufhebung von Rassentrennung in Schulen, das Bekämpfen von Korruption oder das Hinterfragen von polizeilichen Überwachungen von Bevölkerungsschichten—all das sind Themen für das Centre for Artistic Activism (C4AA). Die Besonderheit ihrer Arbeit liegt dabei in der Verknüpfung von Methoden und Formaten der Kunst und sozialer Bewegungen. In Workshops, Seminaren, Sommerakademien und weiteren Programmen diskutieren sie mit Kunstschaffenden genauso wie Menschen, die vorrangig in sozialen Bewegungen aktiv sind, die Beweggründe und Arbeitsweisen der jeweils anderen Gruppe. Damit sollen Forderungen geschärft und Handlungen präziser organisiert werden. Alles andere, so die Gründer der Organisation, sei ein strategischer unverzeihlicher Fehler.
Stadtschaukeln
In den Arbeiten von Matthias Wermke und Mischa Leinkauf werden gängige Situationen, Praktiken und Ordnungen der Stadt spielerisch, fast nebenbei, infrage gestellt. Die Schaukel, die an unterschiedlichen Orten Berlins auftauchte und dann wieder weiterzog, war an Straßenschildern, Gerüsten und Bauteilen befestigt. Sie annektierte temporär kleine Teile der zunehmend kommerzialisierten und privatisierten Stadt, machte sie sich zu eigen. Für einen noch so kurzen Moment entstand dadurch ein neuer (öffentlicher) Raum—da, wo vorher keiner war. Im Besetzten von Plätzen, Nischen, Stellen und Objekten, die normalerweise anderen Funktionen dienen, eroberte sie—ganz sanft und leise, aber nicht weniger nachdrücklich—Stadt zurück. So kann die mobile Schaukel als Warnung gelesen werden. Denn wenn der öffentliche Raum ganz verschwände, müssen wir dann irgendwann immer eine eigene Schaukel dabei haben?
Dem Recht auf Stadt Gehör verschaffen
Der Chor der Statistik wurde 2019 gemeinsam von der Musikerin Bernadette La Hengst und dem experimentellen Architekturkollektiv raumlaborberlin gegründet. Über einen öffentlichen Aufruf fanden sich Menschen zusammen, die singend die Herausforderungen von Stadtentwicklungsprozessen thematisieren wollen. Konkreter Anlass für die Etablierung dieses Chores war das Modellverfahren um das Haus der Statistik in Berlin. Die gemeinsam entwickelten Lieder stellen Fragen und thematisieren Ängste. Sie formulieren aber auch Forderungen. So singt der Chor über Verdrängung und vom Recht auf Stadt, er benennt Probleme wie Mietpreissteigerungen und die Privatisierungen von Raum. Das gemeinsame Singen und öffentliche Auftreten sind dabei Protest und Demonstration zugleich. »Für eine bessere Zukunft!« sagt die Chorleiterin, den Taktstock hebend.
Stadtspiele
In den Spielen der Agentur Play the City sollen verschiedene Akteurinnen und Akteure ins Gespräch kommen, um miteinander über Fragen der Stadtplanung zu diskutieren. Wenn häufig nur politische und kommunale Entscheidungsträger am Tisch sitzen, um über Projekte zu entscheiden, dann kommen hier diverse Gruppen zusammen: Mitarbeitende der Stadtverwaltung, Bewohnende eines Viertels, Menschen, die lokale Geschäfte betreiben, Initiativen genauso wie Immobilienunternehmen, Architekturschaffende und viele mehr. Alle sollen mitdiskutieren und mitentscheiden. So zumindest das großartige Prinzip des Spiels. Es soll im Vorfeld großmaßstäblicher Bau- und Stadtentwicklungsprojekte gespielt werden, sagen die, die das Spiel in lokalen Varianten entwickeln, um Konsensbildungen zu beschleunigen, Entscheidungen zu unterstützen und Konflikte auszuräumen.
Die Stadt als Skatepark
Skateboarding sei performative Kritik an der gebauten Welt, sagen manche. So entwickelt der noch relativ junge Sport, dessen Hauptschauplätze lange ausschließlich städtische Nicht-Orte waren, neue Auslegungen und andere Interpretationen von Raum. Diese Welt—ob nun gigantische Infrastrukturen, Gehwege, leere Swimmingpools, enorme Straßenzüge, Untertunnelungen genauso wie andere Betonwüsten der Moderne—zeigt der Fotograf und Skater Rubén Dario Kleimeer in seinen Bildern. Durch das Befahren und Aneignen dieser gebauten Strukturen erschließt Kleimeer damit ganz vielfältige Bedeutungsebenen von Raum. Dabei ist er nicht auf Antworten oder Lösungen für städtebauliche oder gesellschaftliche Probleme aus. Stattdessen lädt er uns ein, mit ihm zu suchen, mit ihm auf Fahrt zu gehen und dann gemeinsam—aus ungewohnten Perspektiven—darüber nachzudenken, wie die Stadt der Zukunft ausschauen könnte, was sie sein kann, und wie sie sich befahren ließe.
Modifiziertes Stadtmobiliar
Der Künstler Jeppe Hein modifiziert herkömmliche Parkbänke. So werden außer dem Sitzen auch all die anderen Dinge, Tätigkeiten und Gebrauche, für die Parkbänke sonst benutzt werden, oft nahezu unmöglich. Denn die veränderten Parkbänke haben geknickte Oberflächen, oder die Sitzflächen fehlen. Manche Bänke haben so lange Beine, dass eine Leiter bräuchte, wer sich auf ihnen niederlassen wollte. Andere sind jedoch nutzbar oder sogar besser als herkömmliche Bänke, wenn sie etwa ein Gespräch mit Augenkontakt ermöglichen. Wieder andere Gebilde erinnern an Spielgeräte. So zettelt die gemeine Parkbank in ihrer modifizierten Form Diskussionen über die Gestaltung von öffentlichem Raum an und lässt Unterhaltungen entstehen. Auch darüber, wofür und für wen geplant und gestaltet wird oder werden sollte.
Einmal wieder durch die Stadt ziehen
Der mobile Zebrastreifen ist ein tragbares und an unübersichtlichen Straßenstellen einsetzbares Instrument. Er dient dazu, Fahrbahnen dort, wo keine legale Überquerungsmöglichkeit besteht, rechtskonform für fußläufige Menschen bequem überquerbar zu machen. Wegen der Größe und des damit verbundenen Gewichts des Teppichs geht das allerdings nicht allein. Es braucht viele Menschen, die mittragen und ‑rollen wollen. Damit wird das Überqueren einer anderweitig nicht-kreuzbaren Straße zur kollektiven Aktion, zu einer Art Protestmarsch. Das spielerisch erscheinende Artefakt weist dabei auf die hartnäckig bestehenden ungleichen Bewegungsräume von verschiedenen Gruppen in der Stadt hin. Mit dem Zelebrieren der nachhaltigsten aller Fortbewegungsarten zeigt der mobile Zebrastreifen auf, wie eine gerechte Stadt für Fußläufige aussehen könnte.
Das etwas andere Ministerium für Raum
Auch wenn Ministarstvo Prostora ganz offiziell klingt, ein staatliches Ministerium ist es nicht. Hinter dem Namen verbirgt sich eine kleine Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten, die sich der sozialen Gerechtigkeit verschrieben haben. So kämpft das Ministerium für Raum für eine Stadt, die der gesamten Bevölkerung zu Gute kommen soll, gegen korrupte Praktiken, die Veruntreuung öffentlicher Gelder und den Machtmissbrauch politischer Akteurinnen und Akteure. So beobachten, analysieren und kritisieren sie großflächige städtische Entwicklungsprojekte durch transnationale Konzerne und die Privatisierung von Gemeingütern. Sie hinterfragen den Bau von luxuriösen Wohnanlagen oder Einkaufszentren. Mit ihren Arbeiten unterstützt die Gruppe so die breite Protestkultur, die zivilgesellschaftliche Einbindung in das stadtpolitische Geschehen fordert.
Stadt im Wandel
Die Wekerle-Siedlung im Südosten von Budapest ist seit einigen Jahren Teil des weltweiten Transition Town Netzwerks, das sich aktiv mit den globalen Herausforderungen des Klimanotstands auseinandersetzt und Praktiken für lokale Produktions- und Verwertungskreisläufe entwickelt. Es werden alternative Energieversorgungen entwickelt, Nahrungsmittelsouveränität geschaffen, nachhaltiges Bauen und emissionsfreie Mobilität gefördert. In Werkerle werden dabei besonderer Wert auf die solidarische Landwirtschaft gelegt, ökologischer Gartenbau durch Kurse beworben, Saatgut lokaler Gemüsesorten über Tauschbörsen gehandelt und Kompost systematisch gesammelt. Die Lokalregierung hat das Potenzial dieses Ansatzes erkannt und unterstützt—trotz Gegenwind—mit Sach- und Geldmitteln. Ein Gemeinschaftshaus konnte gebaut, ein Gemeinschaftsgarten angelegt und der Marktplatz neu gestaltet werden.