Das City Plaza Hotel im Athener Stadtteil Victoria stand lange leer. Im April 2016 besetzte eine Initiative das ehemalige Hotel gemeinsam mit gestrandeten Flüchtenden aus dem Irak, Afghanistan, Syrien und vielen anderen Orten. Sie verwandelten das Gebäude mit seinen 126 Zimmern in ein Wohnhaus und verwalteten es selbst. In dem Projekt wurde gezeigt, wie ökonomische und politische Solidarität mit Flüchtenden praktiziert werden kann. Damit war es auch ein Zentrum für den Kampf gegen Rassismus, Grenzen, repressive Migrationspolitiken und soziale Exklusion. Nach 36 Monaten kam das Experiment 2019 zum Ende. Trotz der Kürze der Projektdauer, stehen das Gebäude im Zentrum Athens und die Aktivitäten, die sich dort entfaltet hatten, maßgeblich für Themen, die für uns alle—und nicht nur in Krisen—von Bedeutung sind.
Ein Refugee-Hotel im Herzen Athens
Von der Lokomotivwerkstatt zur Bibliothek
2009 erwirbt die Gemeinde Tilburg zusammen mit zwei großen Immobilien- und Baufirmen das riesige Areal direkt hinter dem Hauptbahnhof. Der ursprüngliche Plan sah vor, bestehende Gebäude, wie die ehemalige Lokomotivenhalle, kurz auch: LocHal, abzureißen und riesige Büro- und Apartmentkomplexe zu errichten. Die Entscheidung wird aber zurückgenommen. Statt Abriss kommen Sanierungen und Umnutzungen. So eröffnet 2019 hier die städtische Bibliothek, die aber viel mehr ist als eine Sammlung von Büchern. So schützt die gläserne Halle einen innen liegenden Stadtplatz—mit Café und Freitreppe. Außerdem befinden sich hier Magazin, Büro- und Veranstaltungsräume, und an den Rändern liegen Werkstätten und Arbeitsräume. Die vielen Menschen, die das Gebäude für mannigfaltige Aktivitäten nutzen, machen deutlich, dass öffentlicher Raum auch in der Zukunft noch eine wesentliche Rolle spielen wird.
Vielfalt in der Clubkultur
Das junge Berliner Kollektiv No Shade versucht, die Musik- und Clubszene nachhaltig zu verändern. So soll, zum Beispiel durch die Ausrichtung einer regelmäßig stattfindenden Clubnacht sowie einer Reihe von Ausbildungsprogrammen, die Repräsentation von weiblichen, non-binären und trans DJs sowie visuellen Kunstschaffenden in der Clubszene erhöht werden. Auch will das Kollektiv die unterschiedlichen communities, crews und Feiernden besser miteinander vernetzen und solidere Strukturen aufbauen. Denn diese Strategien, Netzwerke, Auffangmechanismen und Werkzeuge sind wesentlich, um die teils fragilen, oft prekären, häufig isolierten und meist parallel existierenden Systeme am Leben zu halten und durch die Bildung von solidarischen Momenten weiter zu stärken.
Kolonialen Geschichten auf der Spur
Seit etwa fünf Jahren gibt es in Amsterdam ein Archiv, das verborgene und selten erzählte, ausradierte genauso wie unterdrückte Stimmen und Geschichten (wieder) sichtbar machen will. Aufbauend auf dem Nachlass des in Surinam geborenen Sozialwissenschaftlers Waldo Heilbron ist ein Zentrum für (post)koloniale Geschichte entstanden. Hier wird hegemoniale und aus Europa heraus erstellte Geschichtsschreibung um Aspekte, Daten und Fakten erweitert, die ein multiperspektivisches Bild globaler Entwicklungen über die letzten 400 Jahre zeichnen. Als Ort des Sammelns, Forschens, Vermittelns und Produzierens von Wissen demonstriert The Black Archives, wie Geschichte anders ausgerichtet und Schritt für Schritt um eben jene fehlenden und unterdrückten Stimmen ergänzt und erweitert werden kann.
Technische Hilfe für eine informelle Siedlung
Südlich von Lissabon, im Hinterland von Hotels und Apartmentkomplexen, befindet sich das nicht legalisierte Quartier Terras da Costa. Im Jahr 2012 entsteht in der Nachbarschaft die Idee, eine Gemeinschaftsküche einzurichten. Der Vorschlag ist mit der Hoffnung verbunden, dass die Behörden dadurch der Einrichtung einer Wasserleitung zustimmen und damit die Legalisierung der Siedlung beginnen kann. Das Architekturbüro ateliermob und viele andere Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen helfen auf verschiedenste Art. Manche bringen ihre Arbeit direkt ein, andere positionieren sich solidarisch, und Stiftungen unterstützen das Projekt finanziell. Nach etwa zwei Jahren fließt endlich Wasser nach Terras da Costa. Doch viele andere Aspekte sind weiterhin ungeklärt—können oder wollen politisch nicht beantwortet werden, so dass Siedlungen in ähnlichen Situationen auch weiterhin für ihr Recht auf Stadt kämpfen müssen.
Eine Modellstadt aus Erinnerungen und Träumen
Dass die hier versammelten Häuser zusammengewürfelt wirken, kommt daher, dass es die einzelnen Gebäude, so wie sie da stehen, zum Teil gar nicht als gebaute Strukturen gibt. Sie sind Abbildungen von Erinnerungen, die sich mit Visionen von einer zukünftigen Bleibe mischen. Gebaut von Geflüchteten aus dem Iran, Syrien, Marokko und Pakistan, entstand die Weltstadt, wie das Projekt heißt, zusammen mit dem Berliner Verein Schlesische27 und anderen Organisationen. Diese Global City der anderen Art ist Spekulation und Traum: über eine Zukunft ohne Grenzen, über Stadt als dialogischer Prozess und Vielstimmigkeit, von der wir heute noch immer zu wenig haben.
Initiative für eine kooperative Stadt der Zukunft
Flughafengebäude Tempelhof: 312 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Betoniertes Vorfeld: 236 000 Quadratmeter. Das Tempelhofer Feld: riesige 355 Hektar. Seit zwölf Jahren schon ist der Flugbetrieb eingestellt, seit 2009 sind die Gebäude inklusive Flugfeld im Besitz des Landes Berlin. Seitdem: Diskussionen und Prozesse darüber, was mit dieser kolossalen Fläche nun gemacht werden soll. Das Kollektiv, das seit 2018 das ehemalige Torhaus des Flughafens bespielt, fordert mit vielen anderen zusammen, dass Gemeinwohlorientierung im Vordergrund stehen muss: Das Ganze soll »enkel*innentauglich« sein. Das heißt: Die Stadt der Zukunft zu machen, neue mögliche Imaginarien zu entwickeln bedeutet nicht nur, mit Respekt für Menschen und Nicht-Menschen zu planen, sondern auch planetenverträglich.
Werkhof für Baustoffe
Warum ist in der Bauindustrie das gängige Mantra: bauen, bauen, bauen—wenn Umnutzen, Wiederverwenden oder andere Formen des verantwortungsvollen Umgangs mit Ressourcen im Zentrum stehen sollten? Das interdisziplinäre Kollektiv Bellastock thematisiert dieses und andere große Probleme der Baubranche. La Fabrique du Clos in Stains, einer kleinen Stadt im Nordosten von Paris, wurde einerseits dazu genutzt, Materialien aus dem Abriss von Wohntürmen zu lagern. Andererseits war der Werkhof Treffpunkt und Bühne für die Menschen der Nachbarschaft. Es wurde diskutiert: über zukünftige städtische Räume, wie und von wem diese gestaltet werden wollen. So entstanden Prototypen für Schuppen, Pflanzbeete, Gartenlauben, Straßenpflasterungen, Spielgeräte, Bänke, Pavillons und vieles mehr. Sie zeigen, wie kleinteilige Alternativen etablierte Systeme infrage stellen können.
Zur Finanzierung der kooperativen Stadt
Das Buch und Aktionsforschungsprojekt Funding the Cooperative City. Community Finance and the Economy of Civic Spaces beschreibt vielzählige Fallstudien von Projekten aus ganz Europa, die erklären, wie lokale gemeinwohlorientierte Finanzierungen aufgestellt werden können. Gezeigt und besprochen werden unterschiedlichste Gruppen, die sich neue Modelle überlegt haben, um nicht-kommerzielle Räume für ihre Nachbarschaften zu entwickeln und zu betreiben. Einfach ist das alles nicht, wie viele Interviews und Gesprächsnotizen zeigen. Doch möglich ist es schon: durch das Bilden von solidarischen Netzwerken, mit nachbarschaftlichem Einsatz, Experimentierfreude sowie administrativer und häufig auch finanzieller Unterstützung durch die jeweiligen Kommunen.
Teilhabe an der Gestaltung der Stadt
Nach dem umstrittenen Abriss der Esso-Häuser im Hamburger Stadtteil St. Pauli wird ein Beteiligungsverfahren in Auftrag gegeben, um die Wünsche der Menschen zu erfassen. Aber die Planbude, eine Gruppierung aus Kulturschaffenden, Planenden und Aktivistinnen, die den Zuschlag für diese Arbeit erhält, will mehr. Forderungen aus der Stadtgesellschaft, so ihr Ziel, müssen in planungsrelevante Dokumente einfließen, verpflichtend festgehalten und damit in den gebauten Objekten verankert werden. Hunderte Menschen machen in diesem Verfahren mit und bringen sich ein. Ihre Anmerkungen, Hoffnungen und Forderungen werden im sogenannten St.-Pauli-Code festgehalten. Dieser wird Grundlage für den 2015 ausgeschriebenen städtebaulichen Wettbewerb und die andauernde Projektentwicklung.