Das Projekt Fair Building handelt von jenen, die häufig vergessen werden, wenn Architekturschaffende von spektakulären Neubauten oder Menschen des öffentlichen Lebens von großflächigen Stadtplanungen erzählen. Denn anders als in der Filmindustrie, wo jede noch so kleine Rolle im Abspann aufgeführt wird, hält sich die Architektur eher bedeckt, wenn es um die Arbeit und die Arbeitenden geht, die Gebäude mittels ihrer Kraft möglich machen: Arbeitende, die in prekären Verhältnissen angestellt sind; Arbeitende, die zeitweise fernab ihres Zuhauses an unwirtlichen Orten leben; Arbeitende, die auf ungesicherten Baustellen ihren Beruf ausüben; Arbeitende, die zu lange Tage und zu lange Wochen schuften. Sie spielen hier die Hauptrolle.
In der Arbeit von Rotor und Rotor Deconstruction (RotorDC) geht es nicht um das Bauen von Gebäuden oder Städten im bisherigen Stil. Stattdessen arbeitet das Büro an Strategien des vorsichtigen Rückbaus von zum Abriss freigegebenen Häusern. Während Abrissarbeiten gerettete und wieder aufbereitete Materialien werden auf einer Website zum Verkauf angeboten. Das Spektrum ist groß und reicht von Schrankgriffen bis zu Eichenparkett, von diversen Leuchtmitteln bis Porzellanwaschbecken, von Glasbausteinen zu Bodenfliesen. Das große Ziel von Rotor ist es, das Bewusstsein für bestehende Nutz- und Vermögenswerte zu schärfen und einen rechtlichen Rahmen für die Wiederverwertung zu schaffen. Ihr Handbuch für den Rückbau von öffentlichen Gebäuden wird inzwischen von vielen Kommunen benutzt.
In den 1980er Jahren ist Toxteth Schauplatz vehementer Klassenkämpfe. Menschen verlegen ihren Wohnsitz in andere Teile Liverpools; viele der viktorianischen Reihenhäuser verfallen. Daraufhin wird eine Gruppe im Quartier aktiv. Sie räumen auf, legen Blumenbeete an, streichen Fenster und etablieren einen Markt. Eine Stiftung wird gegründet, der Community Land Trust, um langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der der Gemeinschaft gehört. Die Gruppe kann die Kommune überzeugen, Häuser nicht abzureißen, sondern behutsam zu erneuern. Später entwickelt das Architekturkollektiv Assemble einen Plan für das Gebiet. Obwohl die Arbeiten immer noch nicht abgeschlossen und viele Häuser immer noch baufällig sind, ist das Ziel der Menschen im Quartier, die Zukunft der Häuser selbst in die Hand zu nehmen, erst einmal erreicht.
Granby Four Streets CLT; Steve Biko Housing Association, Beratung; Ann O’Byrne, Unterstützerin, ehem. Liverpool City Council Deputy Mayor und Cabinet Member for Housing; Assemble, Architekturbüro
Immer mehr Wildtiere leben in unseren Städten. Der Artenreichtum in urbanen Ballungsgebieten ist mittlerweile sogar größer als im Umland von Siedlungsgebieten. Mit seiner Fotoserie rückt der Künstler Tue Greenfort die Koexistenz von Mensch und Fuchs in unser Blickfeld. Er weist darauf hin, dass die zunehmende Vielfalt an tierischem Leben in den Städten uns vor neue Aufgaben stellt, denn nicht alle sind über die Kohabitation glücklich. Die Planung steht also vor großen Herausforderungen. Sie muss sich nicht nur vermehrt und wesentlich umfassender um die vielfältigen Bedarfe und Wünsche von ganz unterschiedlichen Menschen kümmern, sondern auch um diejenigen Wesen, die in Stadtentwicklungsprozessen keine eigenen Stimmen haben.
Die bewegten Bilder zeigen Bogotá und Sankt-Petersburg, Rabat und Seoul, Neapel und Tokyo, Doha und Shanghai, Kyoto und Venedig. Wir tauchen in Szenen urbanen Alltags ein. Es wird gefischt, geputzt, getanzt und gelacht. Was wir hier sehen ist Stadt. Doch wird uns nicht die Stadt gezeigt, die sich von Großprojekt zu Großprojekt hangelt, um sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Die Räume in diesem Film sprechen vielmehr vom Leben. Stadt ist gelebter Raum, der von uns und unseren Praktiken lebt und erst dadurch lebendig wird. Die Gleichheit der globalen Städte finden wir hier nicht. Stattdessen: Pluralität, Heterogenität und immer wieder ganz ortsspezifisches Machen.
Das große, bis zu siebenstöckige Wohn- und Gewerbehaus im Zürcher Bezirk Wiedikon ist alles andere als gewöhnlich. Das Haus ist ein kleines Stück Stadt mit Kita, Arztpraxis, Bankfiliale, Programmkino, Bars, Restaurant, Blumenladen und Tramdepot. Weiterhin ist die Kalkbreite als »2000-Watt-Areal im Betrieb« zertifiziert: Durch aktive Nachhaltigkeitsmaßnahmen reduzieren die dort Wohnenden und Arbeitenden ihren energetischen Fußabdruck. Es wird gemeinsam gekocht und gegessen, Arbeitsräume werden geteilt, eine Dingbibliothek ermöglicht das Ausleihen von Geräten, und niemand hat ein eigenes Auto. Verglichen mit dem Zürcher Mittelwert liegen die dadurch erzielten Einsparungen aktuell bei etwa 50 Prozent. Die Vision der Kalkbreite soll langfristig für die gesamte Stadt gelten, um einen Beitrag zur Klimagerechtigkeit zu leisten.
Beide Arbeiten von Andreas Koch, Fenster und Teppich, sind regungslos. Sie bilden die Spuren in der Existenz einer Stadt, im Leben eines oder mehrerer Menschen ab. Vermeintlich Vertrautes, die Schnittstelle vom Drinnen zum Draußen, wird durch die Vergrößerung seltsam verzerrt. Auch der perspektivisch eigenartige Blick von oben auf eine Wohnung, die so gar nicht gesehen werden kann, verändert die scheinbar gewohnten Innenräume. Er macht das Private zum Öffentlichen, ohne dass die Bewohnenden von diesen Blicken erfahren. Wir nehmen beobachtende, distanzierte Positionen ein: einsam, fremdartig verrückt, tonlos, passiv und ganz ohne Teilhabe. Und so dauert es nicht lange, bis dieser voyeuristische Blick auf das Leben anderer unangenehm wird. Bloß raus hier und rein in die Stadt!
Überall auf der Welt lassen sich Großwohnsiedlungen wie die Cité du Parc finden, die aus weitläufigen Landschaften in die Höhe wachsen. Quartiere wie die Cité gelten oft als »sozialer Brennpunkt«. So auch hier. In den frühen 2000ern beschloss der französische Staat Maßnahmen, um die Zukunft der Wohnscheiben zu erörtern. Hier kommt das Architekturbüro Lacaton & Vassal mit Druot ins Spiel. Das Team arbeitet schon seit geraumer Zeit an der Frage: Wie können räumliche Veränderungen so geplant und umgesetzt werden, dass sie nicht zur Verdrängung der Bewohnenden führen? So illustrieren die Arbeiten des Büros, dass Alternativen zu Abriss und Neubau existieren. Und sie definieren neue Qualitäten in Häusern, die vielen nicht verbesserungsfähig erscheinen.
Die Arbeit EUROPA entstand im Kontext der Nachwehen der Wahl für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Europa, so das Architektur- und Planungsbüro morePlatz, fehle es an Sichtbarkeit, öffentlicher Präsenz und positivem Feedback. Die riesigen leuchtenden Röhren, die seit ihrer ersten Installation im November 2016 in Berlin und an vielen anderen Orten in Deutschland und im Ausland zu sehen waren, bedienen genau diesen artikulierten Mangel. Doch die europäische Idee, für die diese Buchstaben und die Leuchtkörper einstehen, wird von vielen auch kritisch gesehen: Europas Außengrenzen werden zunehmend abgeschottet und verteidigt. Das Versprechen eines offenen und solidarischen Europas bleibt im Moment für viele ein unerreichbares Ziel. Das strahlende EUROPA leuchtet nicht für alle gleich hell.
morePlatz, Co-Initiatorinnen und Co-Initiatoren, Entwurf; Johann und Lena König, Kofinanzierung; St. Agnes Immobilien- und Verwaltungsgesellschaft mbH; Deutsches Architektur Zentrum, Unterstützung; 33 Einzelpersonen und Bürogemeinschaften aus Architektur und Kultur, Kofinanzierung
Der Film Swim City führt uns vor, wie wertvoll Flüsse für das Wohl der gesamten Stadtbevölkerung sind. Ob in den Donau-Flussbädern in Wien, im Botanischen Garten von Tiflis oder den Flüssen in Basel und Zürich—überall springen Menschen an warmen und sogar kalten Tagen ins Wasser. Auch in anderen Städten, in denen Flüsse gerade erst als Freiräume wiederentdeckt werden, formieren sich Initiativen, die das Bewusstsein für den Wert von Wasser in der Stadt schärfen wollen. Dabei geht es um weit mehr als das Baden zu popularisieren. Es sind auch Bewegungen, die angesichts zunehmender Privatisierungen von Flussufern für den öffentlichen Zugang zum Wasser kämpfen. Sie machen deutlich, dass Flüsse als wichtige Adern in größeren ökologischen Gefügen ernst zu nehmen sind.