Im Sommer 2015 wurde ein ungenutzter Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof zur Notunterkunft für Geflüchtete umfunktioniert. In die riesigen leeren Hallen wurden temporäre Wandstrukturen gesetzt, die über wenige Jahre hinweg 32.000 Menschen kommen und gehen sahen—ein gutes Drittel davon Kinder. Die Spinde, die hier stehen, stammen aus dieser Zeit. Die Bewohnenden, die bis zu 27 Monate in diesen Verhältnissen lebten, benutzten sie, um Wertvolles, Andenken und Erinnerungen den wenig privaten, übervollen und lauten Räumlichkeiten zu entziehen. Für die Ausstellung Living the City sind die Fächer dieser Schränke mit Geschichten von Menschen und ihren Wegen nach Berlin und darüber hinaus bestückt.
Zweiunddreissigtausend
Reflektionen
Für die Ausstellung Living the City komponierte der Soundkünstler und Filmemacher Moritz Fehr eine sich ständig verändernde akustische Atmosphäre aus Geräuschen und Geräuschumgebungen, die an ausgewählten Orten im Berliner Stadtraum aufgenommen wurden. Die eigens für diesen Anlass realisierte, mehrkanalige Soundinstallation ist über ein Surround-System in der Haupthalle des Flughafens Tempelhof zu hören und hebt die vielfältige akustische Präsenz des Stadtraums, die im Alltag oft als bloße Geräuschkulisse wahrgenommen wird, hervor.
Wie ein Fuchs in der Stadt
Immer mehr Wildtiere leben in unseren Städten. Der Artenreichtum in urbanen Ballungsgebieten ist mittlerweile sogar größer als im Umland von Siedlungsgebieten. Mit seiner Fotoserie rückt der Künstler Tue Greenfort die Koexistenz von Mensch und Fuchs in unser Blickfeld. Er weist darauf hin, dass die zunehmende Vielfalt an tierischem Leben in den Städten uns vor neue Aufgaben stellt, denn nicht alle sind über die Kohabitation glücklich. Die Planung steht also vor großen Herausforderungen. Sie muss sich nicht nur vermehrt und wesentlich umfassender um die vielfältigen Bedarfe und Wünsche von ganz unterschiedlichen Menschen kümmern, sondern auch um diejenigen Wesen, die in Stadtentwicklungsprozessen keine eigenen Stimmen haben.
Von Menschen in Städten
Die bewegten Bilder zeigen Bogotá und Sankt-Petersburg, Rabat und Seoul, Neapel und Tokyo, Doha und Shanghai, Kyoto und Venedig. Wir tauchen in Szenen urbanen Alltags ein. Es wird gefischt, geputzt, getanzt und gelacht. Was wir hier sehen ist Stadt. Doch wird uns nicht die Stadt gezeigt, die sich von Großprojekt zu Großprojekt hangelt, um sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Die Räume in diesem Film sprechen vielmehr vom Leben. Stadt ist gelebter Raum, der von uns und unseren Praktiken lebt und erst dadurch lebendig wird. Die Gleichheit der globalen Städte finden wir hier nicht. Stattdessen: Pluralität, Heterogenität und immer wieder ganz ortsspezifisches Machen.
Über dem Straßenbahndepot ein genossenschaftliches Wohnprojekt
Das große, bis zu siebenstöckige Wohn- und Gewerbehaus im Zürcher Bezirk Wiedikon ist alles andere als gewöhnlich. Das Haus ist ein kleines Stück Stadt mit Kita, Arztpraxis, Bankfiliale, Programmkino, Bars, Restaurant, Blumenladen und Tramdepot. Weiterhin ist die Kalkbreite als »2000-Watt-Areal im Betrieb« zertifiziert: Durch aktive Nachhaltigkeitsmaßnahmen reduzieren die dort Wohnenden und Arbeitenden ihren energetischen Fußabdruck. Es wird gemeinsam gekocht und gegessen, Arbeitsräume werden geteilt, eine Dingbibliothek ermöglicht das Ausleihen von Geräten, und niemand hat ein eigenes Auto. Verglichen mit dem Zürcher Mittelwert liegen die dadurch erzielten Einsparungen aktuell bei etwa 50 Prozent. Die Vision der Kalkbreite soll langfristig für die gesamte Stadt gelten, um einen Beitrag zur Klimagerechtigkeit zu leisten.
Intime Innenleben
Beide Arbeiten von Andreas Koch, Fenster und Teppich, sind regungslos. Sie bilden die Spuren in der Existenz einer Stadt, im Leben eines oder mehrerer Menschen ab. Vermeintlich Vertrautes, die Schnittstelle vom Drinnen zum Draußen, wird durch die Vergrößerung seltsam verzerrt. Auch der perspektivisch eigenartige Blick von oben auf eine Wohnung, die so gar nicht gesehen werden kann, verändert die scheinbar gewohnten Innenräume. Er macht das Private zum Öffentlichen, ohne dass die Bewohnenden von diesen Blicken erfahren. Wir nehmen beobachtende, distanzierte Positionen ein: einsam, fremdartig verrückt, tonlos, passiv und ganz ohne Teilhabe. Und so dauert es nicht lange, bis dieser voyeuristische Blick auf das Leben anderer unangenehm wird. Bloß raus hier und rein in die Stadt!
Transformation statt Abriss und Neubau
Überall auf der Welt lassen sich Großwohnsiedlungen wie die Cité du Parc finden, die aus weitläufigen Landschaften in die Höhe wachsen. Quartiere wie die Cité gelten oft als »sozialer Brennpunkt«. So auch hier. In den frühen 2000ern beschloss der französische Staat Maßnahmen, um die Zukunft der Wohnscheiben zu erörtern. Hier kommt das Architekturbüro Lacaton & Vassal mit Druot ins Spiel. Das Team arbeitet schon seit geraumer Zeit an der Frage: Wie können räumliche Veränderungen so geplant und umgesetzt werden, dass sie nicht zur Verdrängung der Bewohnenden führen? So illustrieren die Arbeiten des Büros, dass Alternativen zu Abriss und Neubau existieren. Und sie definieren neue Qualitäten in Häusern, die vielen nicht verbesserungsfähig erscheinen.