Die Arbeiten von constructLab entfalten sich im Kosmos zwischen Imagination und Leben. Im Fokus des Kollektivs steht dabei weniger das Schaffen von fixen und unveränderlichen Tatsachen. Stattdessen suchen sie aktiv nach Möglichkeiten, den Wünschen und Hoffnungen, die sich in Aneignungen ausdrücken, Form zu geben. Der Baukiosk ist in diesem Kontext ein Bild. Als komplexes Gebilde verkörpert er eine besondere Form des Stadtmachens, die unterschiedliche Interessen mit unterschiedlichen Möglichkeiten verbindet oder sogar bewusst kollidieren lässt. So ist der Baukiosk Treffpunkt genauso wie Sammelstelle. Analoges Billboard und digitale Anzeigetafel. Informationssystem genauso wie Ruhepunkt. Verteiler genauso wie Auskunftsschalter. Immer ist er vieles—und alles gleichzeitig.
Gemeinschaftsstiftende Konstruktionen
Stadt auf Probe
Die Stadt Görlitz ist durch Abwanderung seit den 1990er Jahren um ein Viertel ihrer Einwohnenden geschrumpft. 2008 wagen eine Forschungsgruppe der TU Dresden und die Stadtverwaltung Görlitz ein Experiment, um neue Menschen in die Stadt zu locken. Temporäres Wohnen in Görlitz soll die Qualitäten und Potenziale dieses Ortes offenbaren. Probewohnen, Stadt Erleben, Stadt auf Probe—mittlerweile läuft die vierte Auflage des Experiments. Interessierte können das Wohnen in der Stadt ausprobieren und die Netzwerke im Kultur- und Jugendbereich kennenlernen. Sie können gemeinschaftliche Arbeitsplätze und Werkstätten nutzen und so direkt neue soziale und berufliche Perspektiven ausloten.
Das ist unser Haus!
Wohnen darf, genau wie Grund und Boden, keine Ware sein—so lautet das Ziel des Mietshäuser Syndikats ganz knapp zusammengefasst. Seit seiner offiziellen Gründung 1993 in Freiburg werden selbstorganisierte Hausprojekte entwickelt und gefördert. Die Besonderheit des Syndikats ist, dass Grundstücke und Gebäude dauerhaft dekommodifiziert werden. Das heißt: Das Syndikat kauft zusammen mit den Mietenden eines Hauses das Objekt samt Grund und Boden, und löst damit traditionelle Eigentums- oder andere Abhängigkeitsverhältnisse auf. Es entzieht Gebäude und das Stück Land, auf dem sie stehen, dem Immobilienmarkt und positioniert sich explizit gegen Spekulation und Profit. Etwa 160 Projekte in Deutschland, den Niederlanden und Österreich befinden sich mittlerweile unter dem Schirm des Syndikats, die langfristig leistbare Wohn‑, Arbeits- und Lebensräume Wirklichkeit werden lassen.
Eine Stadtküche anderer Art
Als Yuriy Fylyuk und seine Freunde im Sommer 2008 aus Kiew nach Iwano-Frankiwsk kamen, fanden sie einen Ort vor, an dem vielfacher Mangel herrschte. Sie gründen das Netzwerk Teple Misto oder Warme Stadt, zu dem mittlerweile rund 60 lokale Unternehmen gehören. Ein Restaurant wird Plattform für die Aktivitäten der Gruppe und dient als Ort des Zusammenkommens und Austauschs. 100 Menschen beteiligen sich als Mitfinanzierende im Projekt Urban Space 100. Auch die Einnahmen aus dem Restaurant fließen in den Topf, aus dem seit 2015 Initiativen, kleine und größere Projekte finanziert und gefördert werden. So wurden mit den so gesammelten Geldern bereits historische Hauseingänge restauriert, Computer für medizinische Einrichtungen beschafft, Sportveranstaltungen und Festivals ausgerichtet.
Wer baut unsere Städte?
Das Projekt Fair Building handelt von jenen, die häufig vergessen werden, wenn Architekturschaffende von spektakulären Neubauten oder Menschen des öffentlichen Lebens von großflächigen Stadtplanungen erzählen. Denn anders als in der Filmindustrie, wo jede noch so kleine Rolle im Abspann aufgeführt wird, hält sich die Architektur eher bedeckt, wenn es um die Arbeit und die Arbeitenden geht, die Gebäude mittels ihrer Kraft möglich machen: Arbeitende, die in prekären Verhältnissen angestellt sind; Arbeitende, die zeitweise fernab ihres Zuhauses an unwirtlichen Orten leben; Arbeitende, die auf ungesicherten Baustellen ihren Beruf ausüben; Arbeitende, die zu lange Tage und zu lange Wochen schuften. Sie spielen hier die Hauptrolle.
Für ein zweites Leben der Architektur
In der Arbeit von Rotor und Rotor Deconstruction (RotorDC) geht es nicht um das Bauen von Gebäuden oder Städten im bisherigen Stil. Stattdessen arbeitet das Büro an Strategien des vorsichtigen Rückbaus von zum Abriss freigegebenen Häusern. Während Abrissarbeiten gerettete und wieder aufbereitete Materialien werden auf einer Website zum Verkauf angeboten. Das Spektrum ist groß und reicht von Schrankgriffen bis zu Eichenparkett, von diversen Leuchtmitteln bis Porzellanwaschbecken, von Glasbausteinen zu Bodenfliesen. Das große Ziel von Rotor ist es, das Bewusstsein für bestehende Nutz- und Vermögenswerte zu schärfen und einen rechtlichen Rahmen für die Wiederverwertung zu schaffen. Ihr Handbuch für den Rückbau von öffentlichen Gebäuden wird inzwischen von vielen Kommunen benutzt.
Ein Viertel, das die Dinge selbst in die Hand nimmt
In den 1980er Jahren ist Toxteth Schauplatz vehementer Klassenkämpfe. Menschen verlegen ihren Wohnsitz in andere Teile Liverpools; viele der viktorianischen Reihenhäuser verfallen. Daraufhin wird eine Gruppe im Quartier aktiv. Sie räumen auf, legen Blumenbeete an, streichen Fenster und etablieren einen Markt. Eine Stiftung wird gegründet, der Community Land Trust, um langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der der Gemeinschaft gehört. Die Gruppe kann die Kommune überzeugen, Häuser nicht abzureißen, sondern behutsam zu erneuern. Später entwickelt das Architekturkollektiv Assemble einen Plan für das Gebiet. Obwohl die Arbeiten immer noch nicht abgeschlossen und viele Häuser immer noch baufällig sind, ist das Ziel der Menschen im Quartier, die Zukunft der Häuser selbst in die Hand zu nehmen, erst einmal erreicht.