Die Arbeiten des Fotografen und Filmemachers Jan Dirk van der Burg zeigen Trampelpfade: schmale und unbefestigte Wege, die dadurch entstehen, dass sie wieder und wieder begangen oder befahren werden. Sie folgen den organischen Bewegungsabläufen von Menschen, die sich fußläufig oder mit dem Fahrrad durch die Welt bewegen. So werden die am Reißbrett scharf und klar umrissenen Räume der Infrastruktur- und Stadtplanenden infrage gestellt. Trampelpfade stehen hier für Widerstand, für kleine Gesten des zivilen Ungehorsams. Sie wehren sich gegen einen Ordnungs- und Gestaltungswillen, der sich über alles stülpt und doch im täglichen Gebrauch keinen Sinn macht. Sie entstehen da, wo die Planenden der immer noch autogerechten Welt nicht mit Menschen gerechnet haben, die ihren eigenen Kopf haben.
Wunschrouten
Gelebter Raum
Larissa Fassler baut und zeichnet Raum. Doch nichts ist hier maßstäblich geordnet oder aufgeräumt. In den großformatigen Zeichnungen von Städten führt sie uns vor, was wir erleben, wenn wir über Straßeninseln laufen, durch Unterführungen und Passagen gehen oder in Hauseingänge hineinschauen. Die Künstlerin überlagert den gebauten Raum mit dem, was durch Aneignungen hinzukommt. Sie beobachtet und begeht den Raum immer wieder, sammelt und kartiert Gefundenes. So auch bei ihrer Arbeit Kotti (revisited). Die vielen Fragmente, die hier übereinander geschichtet liegen, erzählen Geschichten von einem komplexen Raum, der ganz selbstbewusst und entschieden sagt: »Ich bin Stadt. Weder bin ich leicht zu ordnen noch zu planen. Und ich werde mich wehren, wenn meine Vielschichtigkeit in Frage gestellt wird.« Planung, so das große bunte Bild, muss sich um all das kümmern, mit dem gelebten Raum arbeiten statt gegen ihn. Denn wo soll diese Stadt hin, wenn sie hier weg muss?
Kritische Masse für Freiheit und Bewegung
Jeden letzten Freitag des Monats treffen sich Radfahrende, sowohl in Metropolen als auch in kleineren Städten, um—in Kolonne und als schiere Masse—die Straßen einzunehmen, regelrecht zu besetzen. Das Prinzip der kritischen Masse nutzt dabei eine Regel der Straßenverkehrsordnung, nach der ein Verband aus mindestens zwölf Radfahrenden als Fahrzeug zu betrachten ist und somit auch geschlossen über eine rot werdende Ampel fahren kann. Wer vorn radelt, bestimmt mit, wo es lang geht. Aufmerksamkeit wollen die Radfahrenden darauf lenken, dass die autogerechte Stadt des letzten Jahrhunderts an vielen Orten bis heute gefährliche Realität ist. Critical Mass ist damit ein friedliches und solidarisches Protestradeln gegen die Hegemonie des motorisierten Verkehrs in Stadtplanungen weltweit.
Stadtschaukeln
In den Arbeiten von Matthias Wermke und Mischa Leinkauf werden gängige Situationen, Praktiken und Ordnungen der Stadt spielerisch, fast nebenbei, infrage gestellt. Die Schaukel, die an unterschiedlichen Orten Berlins auftauchte und dann wieder weiterzog, war an Straßenschildern, Gerüsten und Bauteilen befestigt. Sie annektierte temporär kleine Teile der zunehmend kommerzialisierten und privatisierten Stadt, machte sie sich zu eigen. Für einen noch so kurzen Moment entstand dadurch ein neuer (öffentlicher) Raum—da, wo vorher keiner war. Im Besetzten von Plätzen, Nischen, Stellen und Objekten, die normalerweise anderen Funktionen dienen, eroberte sie—ganz sanft und leise, aber nicht weniger nachdrücklich—Stadt zurück. So kann die mobile Schaukel als Warnung gelesen werden. Denn wenn der öffentliche Raum ganz verschwände, müssen wir dann irgendwann immer eine eigene Schaukel dabei haben?
Die Stadt als Skatepark
Skateboarding sei performative Kritik an der gebauten Welt, sagen manche. So entwickelt der noch relativ junge Sport, dessen Hauptschauplätze lange ausschließlich städtische Nicht-Orte waren, neue Auslegungen und andere Interpretationen von Raum. Diese Welt—ob nun gigantische Infrastrukturen, Gehwege, leere Swimmingpools, enorme Straßenzüge, Untertunnelungen genauso wie andere Betonwüsten der Moderne—zeigt der Fotograf und Skater Rubén Dario Kleimeer in seinen Bildern. Durch das Befahren und Aneignen dieser gebauten Strukturen erschließt Kleimeer damit ganz vielfältige Bedeutungsebenen von Raum. Dabei ist er nicht auf Antworten oder Lösungen für städtebauliche oder gesellschaftliche Probleme aus. Stattdessen lädt er uns ein, mit ihm zu suchen, mit ihm auf Fahrt zu gehen und dann gemeinsam—aus ungewohnten Perspektiven—darüber nachzudenken, wie die Stadt der Zukunft ausschauen könnte, was sie sein kann, und wie sie sich befahren ließe.
Das etwas andere Ministerium für Raum
Auch wenn Ministarstvo Prostora ganz offiziell klingt, ein staatliches Ministerium ist es nicht. Hinter dem Namen verbirgt sich eine kleine Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten, die sich der sozialen Gerechtigkeit verschrieben haben. So kämpft das Ministerium für Raum für eine Stadt, die der gesamten Bevölkerung zu Gute kommen soll, gegen korrupte Praktiken, die Veruntreuung öffentlicher Gelder und den Machtmissbrauch politischer Akteurinnen und Akteure. So beobachten, analysieren und kritisieren sie großflächige städtische Entwicklungsprojekte durch transnationale Konzerne und die Privatisierung von Gemeingütern. Sie hinterfragen den Bau von luxuriösen Wohnanlagen oder Einkaufszentren. Mit ihren Arbeiten unterstützt die Gruppe so die breite Protestkultur, die zivilgesellschaftliche Einbindung in das stadtpolitische Geschehen fordert.
Flusslandschaften in der Stadt
Der Film Swim City führt uns vor, wie wertvoll Flüsse für das Wohl der gesamten Stadtbevölkerung sind. Ob in den Donau-Flussbädern in Wien, im Botanischen Garten von Tiflis oder den Flüssen in Basel und Zürich—überall springen Menschen an warmen und sogar kalten Tagen ins Wasser. Auch in anderen Städten, in denen Flüsse gerade erst als Freiräume wiederentdeckt werden, formieren sich Initiativen, die das Bewusstsein für den Wert von Wasser in der Stadt schärfen wollen. Dabei geht es um weit mehr als das Baden zu popularisieren. Es sind auch Bewegungen, die angesichts zunehmender Privatisierungen von Flussufern für den öffentlichen Zugang zum Wasser kämpfen. Sie machen deutlich, dass Flüsse als wichtige Adern in größeren ökologischen Gefügen ernst zu nehmen sind.