Das Buch und Aktionsforschungsprojekt Funding the Cooperative City. Community Finance and the Economy of Civic Spaces beschreibt vielzählige Fallstudien von Projekten aus ganz Europa, die erklären, wie lokale gemeinwohlorientierte Finanzierungen aufgestellt werden können. Gezeigt und besprochen werden unterschiedlichste Gruppen, die sich neue Modelle überlegt haben, um nicht-kommerzielle Räume für ihre Nachbarschaften zu entwickeln und zu betreiben. Einfach ist das alles nicht, wie viele Interviews und Gesprächsnotizen zeigen. Doch möglich ist es schon: durch das Bilden von solidarischen Netzwerken, mit nachbarschaftlichem Einsatz, Experimentierfreude sowie administrativer und häufig auch finanzieller Unterstützung durch die jeweiligen Kommunen.
Zur Finanzierung der kooperativen Stadt
Eine kofinanzierte Brücke setzt neue Impulse
20 Jahre ist es her, dass der Schieblock in Rotterdam von dem Architekturbüro ZUS als sogenannte Anti-Besetzung bezogen wurde. Damals waren die Gebiete im Umfeld dieses Blocks jedoch durch Straßen und Bahntrassen zerschnitten und voneinander getrennt. So entstand die Idee einer Brücke. Die Hoffnung: neue Impulse und Nutzungen für die leerstehenden Gebäude und Stadtbrachen. Die Brücke brachte, schon bevor es sie gab, Menschen in Rotterdam zusammen. Über eine Internet-Plattform konnten sie Holzbeplankungen erwerben und somit die Brücke, die schließlich 2015 eröffnet wurde, kofinanzieren. Doch auch weitere Aspekte des Projekts wurden nachdrücklich von der Kommune Rotterdam gefördert: Arbeits- und Büroräume, Restaurants, Cafés und Grünflächen. Seitdem wird viel über die neue Lebendigkeit im Quartier, aber auch die Konsequenzen von Aufwertung und Exklusivität gesprochen.
Das ist unser Haus!
Wohnen darf, genau wie Grund und Boden, keine Ware sein—so lautet das Ziel des Mietshäuser Syndikats ganz knapp zusammengefasst. Seit seiner offiziellen Gründung 1993 in Freiburg werden selbstorganisierte Hausprojekte entwickelt und gefördert. Die Besonderheit des Syndikats ist, dass Grundstücke und Gebäude dauerhaft dekommodifiziert werden. Das heißt: Das Syndikat kauft zusammen mit den Mietenden eines Hauses das Objekt samt Grund und Boden, und löst damit traditionelle Eigentums- oder andere Abhängigkeitsverhältnisse auf. Es entzieht Gebäude und das Stück Land, auf dem sie stehen, dem Immobilienmarkt und positioniert sich explizit gegen Spekulation und Profit. Etwa 160 Projekte in Deutschland, den Niederlanden und Österreich befinden sich mittlerweile unter dem Schirm des Syndikats, die langfristig leistbare Wohn‑, Arbeits- und Lebensräume Wirklichkeit werden lassen.
Eine Stadtküche anderer Art
Als Yuriy Fylyuk und seine Freunde im Sommer 2008 aus Kiew nach Iwano-Frankiwsk kamen, fanden sie einen Ort vor, an dem vielfacher Mangel herrschte. Sie gründen das Netzwerk Teple Misto oder Warme Stadt, zu dem mittlerweile rund 60 lokale Unternehmen gehören. Ein Restaurant wird Plattform für die Aktivitäten der Gruppe und dient als Ort des Zusammenkommens und Austauschs. 100 Menschen beteiligen sich als Mitfinanzierende im Projekt Urban Space 100. Auch die Einnahmen aus dem Restaurant fließen in den Topf, aus dem seit 2015 Initiativen, kleine und größere Projekte finanziert und gefördert werden. So wurden mit den so gesammelten Geldern bereits historische Hauseingänge restauriert, Computer für medizinische Einrichtungen beschafft, Sportveranstaltungen und Festivals ausgerichtet.
Wer baut unsere Städte?
Das Projekt Fair Building handelt von jenen, die häufig vergessen werden, wenn Architekturschaffende von spektakulären Neubauten oder Menschen des öffentlichen Lebens von großflächigen Stadtplanungen erzählen. Denn anders als in der Filmindustrie, wo jede noch so kleine Rolle im Abspann aufgeführt wird, hält sich die Architektur eher bedeckt, wenn es um die Arbeit und die Arbeitenden geht, die Gebäude mittels ihrer Kraft möglich machen: Arbeitende, die in prekären Verhältnissen angestellt sind; Arbeitende, die zeitweise fernab ihres Zuhauses an unwirtlichen Orten leben; Arbeitende, die auf ungesicherten Baustellen ihren Beruf ausüben; Arbeitende, die zu lange Tage und zu lange Wochen schuften. Sie spielen hier die Hauptrolle.
Ein Viertel, das die Dinge selbst in die Hand nimmt
In den 1980er Jahren ist Toxteth Schauplatz vehementer Klassenkämpfe. Menschen verlegen ihren Wohnsitz in andere Teile Liverpools; viele der viktorianischen Reihenhäuser verfallen. Daraufhin wird eine Gruppe im Quartier aktiv. Sie räumen auf, legen Blumenbeete an, streichen Fenster und etablieren einen Markt. Eine Stiftung wird gegründet, der Community Land Trust, um langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der der Gemeinschaft gehört. Die Gruppe kann die Kommune überzeugen, Häuser nicht abzureißen, sondern behutsam zu erneuern. Später entwickelt das Architekturkollektiv Assemble einen Plan für das Gebiet. Obwohl die Arbeiten immer noch nicht abgeschlossen und viele Häuser immer noch baufällig sind, ist das Ziel der Menschen im Quartier, die Zukunft der Häuser selbst in die Hand zu nehmen, erst einmal erreicht.