Vor etwa 16 Jahren finden zwei Skater ein Stück Land im Gewerbegebiet Hannover-Linden verwaist vor. Sie beginnen aufzuräumen und einen kleinen Skatepark anzulegen. 2009 formieren sie sich als Verein, handeln einen Zwischennutzungsvertrag mit der Eigentümerin aus und schließen einen heute noch gültigen Pachtvertrag über 1 Euro pro Jahr ab. 2013 formiert sich dann ein weiterer Verein: Platzprojekt verfolgt das Ziel, Raum für Initiativen zu schaffen, einen Ort zur Selbsthilfe, zur gegenseitigen Unterstützung mit Wissen, Werkzeugen und handwerklicher Arbeit. Forschungsmittel und staatliche Fördergelder ermöglichen den Aufbau längerfristiger Beteiligungsstrukturen für junge Menschen, die in selbstorganisierten Räumen über ihre Städte diskutieren und diese aktiv mitgestalten möchten.
PlatzProjekt e.V., Träger; Stadt Hannover, Kofinanzierung, Verhandlung; Metro Group, Grundstückseigentum; Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Kofinanzierung
Larissa Fassler baut und zeichnet Raum. Doch nichts ist hier maßstäblich geordnet oder aufgeräumt. In den großformatigen Zeichnungen von Städten führt sie uns vor, was wir erleben, wenn wir über Straßeninseln laufen, durch Unterführungen und Passagen gehen oder in Hauseingänge hineinschauen. Die Künstlerin überlagert den gebauten Raum mit dem, was durch Aneignungen hinzukommt. Sie beobachtet und begeht den Raum immer wieder, sammelt und kartiert Gefundenes. So auch bei ihrer Arbeit Kotti (revisited). Die vielen Fragmente, die hier übereinander geschichtet liegen, erzählen Geschichten von einem komplexen Raum, der ganz selbstbewusst und entschieden sagt: »Ich bin Stadt. Weder bin ich leicht zu ordnen noch zu planen. Und ich werde mich wehren, wenn meine Vielschichtigkeit in Frage gestellt wird.« Planung, so das große bunte Bild, muss sich um all das kümmern, mit dem gelebten Raum arbeiten statt gegen ihn. Denn wo soll diese Stadt hin, wenn sie hier weg muss?
In Barcelona wurde der Superblock—ein von großen Straßen begrenztes Stadtgebiet, das sich aus mehreren kleineren Stadtblöcken zusammensetzt—in den letzten Jahren neu erfunden. Er verspricht damit Lösungen für durch motorisierten Verkehr höchst emissionsbelastete Städte. Durch eine Verminderung der Verkehrsdichte soll aber auch der öffentliche Raum aufgewertet und existierende Nutzungen verstärkt oder neue möglich gemacht werden. In Barcelona sind mittlerweile sechs solche Superblocks realisiert worden. Befürchtungen, dass aufgrund der Verkehrsberuhigung der Einzelhandel leiden könnte, haben sich nicht bewahrheitet. Stattdessen hat sich die Anzahl der Wege, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unternommen werden, erhöht. Die Luftqualität hat sich verbessert. Mittlerweile wird das Modell auch in anderen Städten getestet. Überall zeigt sich das Potenzial der räumlichen Organisation aus Sicht fußläufiger statt autofahrender Menschen.
Salvador Rueda, Direktor BCNecologia (2000–2019), BCNecologia, Agència d’Ecologia Urbana de Barcelona; Konsortium aus Ajuntament de Barcelona, l’Area Metropolitana de Barcelona i la Diputació de Barcelona; Bewohnende der Superblocks
Jahr
Seit 2003, erster Test-Superblock im Stadtteil Gràcia / 2016, Einweihung Superblock im Stadtteil Poblenou
2009 erwirbt die Gemeinde Tilburg zusammen mit zwei großen Immobilien- und Baufirmen das riesige Areal direkt hinter dem Hauptbahnhof. Der ursprüngliche Plan sah vor, bestehende Gebäude, wie die ehemalige Lokomotivenhalle, kurz auch: LocHal, abzureißen und riesige Büro- und Apartmentkomplexe zu errichten. Die Entscheidung wird aber zurückgenommen. Statt Abriss kommen Sanierungen und Umnutzungen. So eröffnet 2019 hier die städtische Bibliothek, die aber viel mehr ist als eine Sammlung von Büchern. So schützt die gläserne Halle einen innen liegenden Stadtplatz—mit Café und Freitreppe. Außerdem befinden sich hier Magazin, Büro- und Veranstaltungsräume, und an den Rändern liegen Werkstätten und Arbeitsräume. Die vielen Menschen, die das Gebäude für mannigfaltige Aktivitäten nutzen, machen deutlich, dass öffentlicher Raum auch in der Zukunft noch eine wesentliche Rolle spielen wird.
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Teilhabe an der Gestaltung der Stadt
Nach dem umstrittenen Abriss der Esso-Häuser im Hamburger Stadtteil St. Pauli wird ein Beteiligungsverfahren in Auftrag gegeben, um die Wünsche der Menschen zu erfassen. Aber die Planbude, eine Gruppierung aus Kulturschaffenden, Planenden und Aktivistinnen, die den Zuschlag für diese Arbeit erhält, will mehr. Forderungen aus der Stadtgesellschaft, so ihr Ziel, müssen in planungsrelevante Dokumente einfließen, verpflichtend festgehalten und damit in den gebauten Objekten verankert werden. Hunderte Menschen machen in diesem Verfahren mit und bringen sich ein. Ihre Anmerkungen, Hoffnungen und Forderungen werden im sogenannten St.-Pauli-Code festgehalten. Dieser wird Grundlage für den 2015 ausgeschriebenen städtebaulichen Wettbewerb und die andauernde Projektentwicklung.
Margit Czenki, Christoph Schäfer, Renée Tribble, Lisa Marie Zander, Christina Röthig, bis 2018; Patricia Wedler, bis 2017; Volker Katthagen, bis 2016; Nachbarschaftsinitiativen und Bewohnende
Als Yuriy Fylyuk und seine Freunde im Sommer 2008 aus Kiew nach Iwano-Frankiwsk kamen, fanden sie einen Ort vor, an dem vielfacher Mangel herrschte. Sie gründen das Netzwerk Teple Misto oder Warme Stadt, zu dem mittlerweile rund 60 lokale Unternehmen gehören. Ein Restaurant wird Plattform für die Aktivitäten der Gruppe und dient als Ort des Zusammenkommens und Austauschs. 100 Menschen beteiligen sich als Mitfinanzierende im Projekt Urban Space 100. Auch die Einnahmen aus dem Restaurant fließen in den Topf, aus dem seit 2015 Initiativen, kleine und größere Projekte finanziert und gefördert werden. So wurden mit den so gesammelten Geldern bereits historische Hauseingänge restauriert, Computer für medizinische Einrichtungen beschafft, Sportveranstaltungen und Festivals ausgerichtet.
Yuriy Fylyuk und sechs Freunde, Gründung Teple Misto, Koentwicklung der Idee für das Urban Space 100 und Besitz des Trademark Urban Space 100; Teple Misto, Management von Urban Space 100; 100 Gründerinnen und Gründer, Finanzierung des Urban Space 100; Urban Space 100, NGO und Förderung von Projekten; LLC URBAN 100, Restaurantbetrieb; 23 Restaurants, Firma für Restaurantmanagement und Management von LLC URBAN 100
Das große, bis zu siebenstöckige Wohn- und Gewerbehaus im Zürcher Bezirk Wiedikon ist alles andere als gewöhnlich. Das Haus ist ein kleines Stück Stadt mit Kita, Arztpraxis, Bankfiliale, Programmkino, Bars, Restaurant, Blumenladen und Tramdepot. Weiterhin ist die Kalkbreite als »2000-Watt-Areal im Betrieb« zertifiziert: Durch aktive Nachhaltigkeitsmaßnahmen reduzieren die dort Wohnenden und Arbeitenden ihren energetischen Fußabdruck. Es wird gemeinsam gekocht und gegessen, Arbeitsräume werden geteilt, eine Dingbibliothek ermöglicht das Ausleihen von Geräten, und niemand hat ein eigenes Auto. Verglichen mit dem Zürcher Mittelwert liegen die dadurch erzielten Einsparungen aktuell bei etwa 50 Prozent. Die Vision der Kalkbreite soll langfristig für die gesamte Stadt gelten, um einen Beitrag zur Klimagerechtigkeit zu leisten.