Die Arbeiten des Fotografen und Filmemachers Jan Dirk van der Burg zeigen Trampelpfade: schmale und unbefestigte Wege, die dadurch entstehen, dass sie wieder und wieder begangen oder befahren werden. Sie folgen den organischen Bewegungsabläufen von Menschen, die sich fußläufig oder mit dem Fahrrad durch die Welt bewegen. So werden die am Reißbrett scharf und klar umrissenen Räume der Infrastruktur- und Stadtplanenden infrage gestellt. Trampelpfade stehen hier für Widerstand, für kleine Gesten des zivilen Ungehorsams. Sie wehren sich gegen einen Ordnungs- und Gestaltungswillen, der sich über alles stülpt und doch im täglichen Gebrauch keinen Sinn macht. Sie entstehen da, wo die Planenden der immer noch autogerechten Welt nicht mit Menschen gerechnet haben, die ihren eigenen Kopf haben.
Wunschrouten
Kolonialen Geschichten auf der Spur
Seit etwa fünf Jahren gibt es in Amsterdam ein Archiv, das verborgene und selten erzählte, ausradierte genauso wie unterdrückte Stimmen und Geschichten (wieder) sichtbar machen will. Aufbauend auf dem Nachlass des in Surinam geborenen Sozialwissenschaftlers Waldo Heilbron ist ein Zentrum für (post)koloniale Geschichte entstanden. Hier wird hegemoniale und aus Europa heraus erstellte Geschichtsschreibung um Aspekte, Daten und Fakten erweitert, die ein multiperspektivisches Bild globaler Entwicklungen über die letzten 400 Jahre zeichnen. Als Ort des Sammelns, Forschens, Vermittelns und Produzierens von Wissen demonstriert The Black Archives, wie Geschichte anders ausgerichtet und Schritt für Schritt um eben jene fehlenden und unterdrückten Stimmen ergänzt und erweitert werden kann.
Teilhabe an der Gestaltung der Stadt
Nach dem umstrittenen Abriss der Esso-Häuser im Hamburger Stadtteil St. Pauli wird ein Beteiligungsverfahren in Auftrag gegeben, um die Wünsche der Menschen zu erfassen. Aber die Planbude, eine Gruppierung aus Kulturschaffenden, Planenden und Aktivistinnen, die den Zuschlag für diese Arbeit erhält, will mehr. Forderungen aus der Stadtgesellschaft, so ihr Ziel, müssen in planungsrelevante Dokumente einfließen, verpflichtend festgehalten und damit in den gebauten Objekten verankert werden. Hunderte Menschen machen in diesem Verfahren mit und bringen sich ein. Ihre Anmerkungen, Hoffnungen und Forderungen werden im sogenannten St.-Pauli-Code festgehalten. Dieser wird Grundlage für den 2015 ausgeschriebenen städtebaulichen Wettbewerb und die andauernde Projektentwicklung.
Begegnungen provozieren
Die Arbeiten von Thomas Hirschhorn thematisieren die Herausforderungen unserer Zeit. Sie handeln von Klimanotstand und Gerechtigkeit, von Konsumexzess und Entfremdung. Viele der geopolitischen Diskussionen, die der Künstler anschneidet und die wir sonst gut auf Distanz halten können, brechen in seinen Arbeiten über und auf uns ein. Wir werden Teil des hirschhornschen Kosmos, der so klar sagt, wie wichtig es ist, Position zu beziehen. Die ausgestellte Collage wirkt auf den ersten Blick seltsam nüchtern, fast entfremdet. Werte und Haltungen, nicht Lösungen, stehen im Zentrum. Einfache Antworten auf die mannigfachen Fragen suchen wir vergeblich. Vielmehr geht es um das Knüpfen von sozialen Beziehungen, das gemeinsame Handeln, das Erfinden von Praktiken, die Räume produzieren oder verändern.
Von der Straße als Protestraum
Wie die Arbeiten des Crimson Kollektivs für Architekturgeschichte zeigen, wäre es fahrlässig, Straßen auf Mobilitätsdiskussionen zu beschränken. Denn diese Räume agieren vor allem auch als Protesträume. Die Straße, abgesperrt und leer gefegt vom Verkehr, wird dabei Bühne für das Öffentlichmachen von Unmut, Unbehagen und Unzufriedenheit gegenüber staatlichen Systemen oder politischen Entscheidungen. Crimsons Arbeit spricht von diesen Kämpfen genauso wie von Dynamiken und Kräften, die sich hier offenbaren. Die Zukunft von Protestbewegungen, so argumentieren sie, ist eng gekoppelt an die Straße als für alle zugänglichem Versammlungsort. Doch dieses Verständnis ist nicht überall gegeben. Was passiert zum Beispiel, wenn Überwachungspraktiken überhandnehmen? Oder, so fragen Crimson, wird genau dies immer wieder neue Proteste auslösen?
Ein Viertel, das die Dinge selbst in die Hand nimmt
In den 1980er Jahren ist Toxteth Schauplatz vehementer Klassenkämpfe. Menschen verlegen ihren Wohnsitz in andere Teile Liverpools; viele der viktorianischen Reihenhäuser verfallen. Daraufhin wird eine Gruppe im Quartier aktiv. Sie räumen auf, legen Blumenbeete an, streichen Fenster und etablieren einen Markt. Eine Stiftung wird gegründet, der Community Land Trust, um langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der der Gemeinschaft gehört. Die Gruppe kann die Kommune überzeugen, Häuser nicht abzureißen, sondern behutsam zu erneuern. Später entwickelt das Architekturkollektiv Assemble einen Plan für das Gebiet. Obwohl die Arbeiten immer noch nicht abgeschlossen und viele Häuser immer noch baufällig sind, ist das Ziel der Menschen im Quartier, die Zukunft der Häuser selbst in die Hand zu nehmen, erst einmal erreicht.
Wehrhafte Kleinbauten
Wir schauen auf eine tief in den Boden gebaggerte Grube. In der Mitte: wie ein Fels in der Brandung ein gewaltiger Erdklumpen, auf dem ein letztes vereinzeltes Haus steht. »Nagelhäuser« heißen diese Gebilde, die in einer scheinbaren Öde übrig geblieben sind. Für Ahmet Öğüt sind diese Häuser »Ausdruck des individuellen Alltagswiderstands gegen die Strategien staatlicher oder unternehmerischer Zwänge«. Sie sind Überbleibsel eiliger Urbanisierungsprozesse und sprechen gleichzeitig von Verdrängung. Öğüts Modelldarstellungen der Nagelhäuser halten diesen Zustand als Warnung fest. Und so wird der Widerstand gegen die unerbittliche globale Immobilienwirtschaft und spekulative Grundstücksentwicklung langfristig sichtbar und damit für andere verhandelbar gemacht.